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Punabbhava
Die Dhamma-Bedeutung von „Geburt“ und „Wiedergeburt“

Der Buddha setzt in seinen Erklärungen Geburt mit Leiden gleich. Dies führt wie bei vielen seiner Aussagen oft zu Mißverständnissen, die daraus entstehen, daß wir das aus irgendeiner Übersetzung gelieferte Wort nur in seiner oberflächlichen Darstellung annehmen statt uns die Mühe zu machen, die tiefere Bedeutung zu erforschen. „Geburt ist Leiden“ sagt der Buddha, und „Glück ist das vollkommene Aufgeben der falschen Vorstellung von ‚Ich’ ‚Mein’ ‚Ich selbst’‚ Ich bin’.“
Diese Aussage, daß Geburt die Ursache von Leiden ist, darf jedoch nicht mit unserer alltagssprachlichen Vorstellung der leiblichen Geburt erklärt werden. Sie hat vielmehr verschiedene tiefere Bedeutungsebenen. Die Hauptursache für Mißverständnisse liegt hier in der sprachlichen Auslegung des Wortes „Geburt“. In unserer alltagssprachlichen Auslegung bedeutet „Geburt“ das physische Geborenwerden aus dem Leib einer Mutter. Wenn wir den Worten des Buddha in der Qualität dieser alltagssprachlichen Auslegung folgen und die Kernaussage annehmen, daß das höchste Glück darin besteht, nicht mehr geboren zu werden, dann haben wir ein Problem, wenn wir zu Lebzeiten Erleuchtung erreichen wollen, denn mentale Arbeit ist nun mal an unsere Physis gebunden.

Ajahn Buddhadasa sagt:
„Die falsch verstandene Annahme, daß das Wort ‚Geburt’ sich auf die physische Geburt bezieht, ist das größte Hindernis, um die Lehren des Buddha zu verstehen.“


In allen Sprachen können viele Wörter außer in ihrem alltagssprachlichen Kontext auch in einem philosophischen oder psychologischen Kontext verstanden werden. Nehmen wir als Beispiel das Wort „Pfad“:
     1. Im alltagssprachlichen Kontext bedeutet dies einen Weg, eine Straße, auf der sich Menschen oder Fahrzeuge von A nach B bewegen. Dies ist ein physisches Verständnis des Wortes.
     2. In einem philosophischen Kontext kann man darunter zum Beispiel den „Pfad der Tugend“ verstehen oder in der Buddha-Lehre den Praxisweg, den sogenannten „Achtfachen Pfad“, der durch seine Stufen: Rechtes Verstehen, Rechtes Denken, Rechte Rede, Rechtes Handeln, Rechte Lebensgestaltung, Rechte Anstrengung, Rechte Achtsamkeit und Rechte Sammlung zum Nibbana (Sanskrit: Nirvana) führt. Dies ist ein geistiges Verständnis des Wortes.

Und was bedeutet nun das Wort „Geburt“ in dem vom Buddha gelehrten psychologischen Kontext, also in der „Dhamma-Sprache“? Es bedeutet nichts anderes als:
Die Entstehung der falschen Vorstellung von „Ich bin“, „Ich bleibe“, „Ich werde“.
Wann immer im Geiste diese Vorstellung entsteht, ist das „Ich“ geboren.

Dies also sind die beiden Bedeutungen des Wortes „Geburt“:
     1. Geburt im alltagssprachlichen Sinn ist das physische Geborenwerden aus dem Mutterleib. Es dauert in der Regel ein paar Minuten, und danach hat man für den Rest des Lebens nichts mehr damit zu tun. Wer Geburt nur so versteht, kann die Lehre des Buddha nie begrei
fen.
    2. Geburt im psychologischen Sinn der Buddha-Lehre bezieht sich auf ein nichtphysisches Ereignis, das im Geiste stattfindet. Das „Ich“ wird geboren, sobald die falsche „Ich bin“-Vorstellung entsteht. Die „Mütter“ dieser mentalen Geburt sind: Gier (tanha), Unwissenheit (avijja) und Anhaftung (upadana).
Auch ohne Praxis der Buddha-Lehre kann im Alltag in Momenten innerer Zufriedenheit diese „Ich bin“-Vorstellung vorübergehend verschwinden, wir erreichen dann den niedrigsten der Nibbana-Zustände: „Tadanga-Nibbana“. Es ist ein Zustand, der durch günstige äußere Bedingungen entsteht, meist unbewußt. Das „Ich“ hört kurz auf, zu existieren - und kann gleich darauf wiedergeboren werden, hundertmal am Tag.

Damit wird auch gleich die Bedeutung des Wortes „Wiedergeburt“ in der Dhamma-Sprache klar:
„Wiedergeburt“ im buddhistischen Sinn bedeutet nichts anderes als das wiederholte Auftauchen der „Ich“-Illusion - jede Stunde mehrmals, tagtäglich, ein Leben lang - so lange, bis wir auf dem vom Buddha beschriebenen Weg des achtfachen Pfades, einem Weg konzentrativer Entwicklung, alle geistigen Befleckungen ausgelöscht und die höchste Stufe des Nibbana, das „Absolute Nibbana“ erreicht haben, aus dem keine Wiedergeburt mehr möglich ist, weil kein „Ich bin“, „Ich bleibe“, „Ich werde“ mehr existiert.
(Vgl. “Die 8 Daseinsformen”)
Nibbana erreichen wir nicht nach unserem physischen Tod, nachdem wir in den Sarg gelegt oder verbrannt werden. Nibban
a erreichen wir, sobald wir unwiderruflich die Illusion des „Ich“ ausgelöscht haben.

Der Buddhist strebt an, nicht mehr wiedergeboren zu werden. Dies erreicht er nur im Nibbana (Nirvana), also im Zustand völliger Befreiung von den geistigen Befleckungen (Gier, Unwissenheit und Anhaftung).


„Geburt“ in der Dhamma-Sprache bezieht sich auch auf alle unvermeidlichen Folge-Erscheinungen, die der falschen Ich-Illusion auf zwanghafte Weise anhängen, nämlich: „Ich bin so“, „Ich bin anders als so“, „Ich bin anders als du und alle anderen“, „Ich bin ein guter Mensch“, „Ich bin ein trauriger Mensch“, „Ich bin erfolgreich“ und so weiter.

Ein Selbstschutzmechanismus des men
schlichen Geistes sorgt dafür, daß wir nicht ununterbrochen von solchen geistigen Befleckungen besetzt sind. Im Alltag geraten wir immer wieder - meistens durch zufällige äußere Umstände, welche Gefühle von Ruhe, Entspannung, Freude, Geborgenheit erzeugen - für kurze Zeit in einen Zustand inneren Friedens, wo es keine Ich-Illusionen gibt. Für diesen Augenblick sind wir dann frei von Haß, Gier und Verblendung: Der Geist ist „leer“, so kann er ruhen, schlafen, sich erholen, gesund bleiben. Ohne diesen Schutz werden wir psychisch krank.

In solchen Momenten ist der Kreislauf der Wiedergeburten kurz unterbrochen, unser Geist erfährt vorübergehende Kühle (Tadanga-Nibbana). Sobald dann wieder die „Ich“- oder „Mein“-Vorstellung entsteht, herrscht erneut Hitze und Leiden, wir sind wiedergeboren im Kreislauf des Leidens durch Geburt. Das ist es, was man unter dem „Kreislauf des Samsara“ versteht: Immer wieder entsteht das „Ich“, lebt eine Weile, verschwindet und wird wiedergeboren.

Der Achtfache Pfad hilft uns, dieser kurzen Momente des Nichtwiedergeborenwerdens gewahr zu werden, sie im Lauf der Zeit mit Hilfe meditativer Bewußtwerdungsprozesse zum Vikkhambana-Nibbana auszudehnen, bis eines Tages im absoluten Nibbana keine Befleckungen mehr möglich sind und die irrige Vorstellung von „Ich bin“ endgültig nicht mehr geboren werden kann.


Eine ergänzende Zusammenfassung der Themen “Geburt - Leiden - Leere - Nirvana” finden Sie auf der download-Seite.

 


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