pañca-síla
Die fünf Sittenregeln

Die Sila sind eine der drei tragenden Säulen buddhistischer Ethik:
Sila: Sittlichkeit (Tugend), Moral, Verhalten
SamadhiSammlung, Vertiefung, Konzentration
PannaErkenntnis, Wissen, Weisheit
Sie beschreiben die ethischen Verhaltensgrundsätze, die – im Geiste entwickelt – sich im rechten (
*) Tun und in rechter Rede manifestieren.

Die Sila werden oft auch als “Glaubensgrundsätze” oder “Glaubensgebote” mit den zehn Geboten im Christentum bzw. in den abrahamitischen Religionen verglichen. Dagegen ist grundsätzlich erst einmal nichts einzuwenden. Denn unbenommen dessen, ob man Buddhismus als eine philosophische Anleitung zur Geistesschulung, als einen psychologischen Erkenntnisweg oder eben als Religion verstehen mag, bildet der hier wie in allen anderen großen Religionen beschriebene Verhaltenskodex das anschauungs- und glaubensübergreifende ethische Grundgerüst für ein menschliches Miteinander auf der Grundlage heilsamen Denkens, Redens und Handelns.

Im Vergleich mit den zehn Geboten sei hier allerdings herausgestellt, daß es sich bei dem christlichen Regelwerk um eine Art Gesetzesvorlage, bestehend aus Geboten und Verboten handelt (“Du sollst nicht töten.”), während die Sila im Buddhismus nicht ein zu befolgendes “Muß” oder Gesetz darstellen, sondern eine Orientierungshilfe in sittlichem Verhalten für die täglichen Übungen. (“Ich gelobe, keine Lebewesen zu töten.”) - Deshalb ist als deutsche Bezeichnung für die fünf Sila wohl eher “Die fünf ethischen Übungsregeln” zutreffend.


Das Gemeinsame an den fünf (bzw. acht oder zehn - s. u.) Silas im Buddhismus und den zehn Geboten im Christentum ist, daß sie jeweils einen Leitfaden für den Weg zur Erlösung darstellen.
Der ganz wesentliche Unterschied besteht darin, daß der Erlösungsweg im Christentum (und in allen anderen großen Religionen) ein heteronomer ist - ausgeübt in Glaubensgehorsam und gewährt von Gottes Gnaden. Die in den Geboten vorgegebenen Leitlinien sind zwingend: Ihre Befolgung wird mit paradiesischer Erlösung belohnt, ihre Mißachtung mit Verdammnis in der Hölle bestraft.
Im Budddhismus hingegen gibt es keine schicksalsbestimmende Gnade einer höheren Macht. Es gibt weder Drohung, noch göttliche Strafe oder Belohnung. Die Sila beschreiben hier die ethischen Verhaltensgrundsätze für eine autonome Entwicklung des einzelnen Praktizierenden - ausgeübt durch selbst erarbeitete Erkenntnis.


Sila heiß Sittlichkeit. Die fünf Sila listen jene Bereiche des Denkens, Sprechens und Handelns auf, derer sich ein Buddhist zu enthalten hat. “Enthaltsamkeit” wird hier oft als Ausdruck von Askese oder sogar negativ von Freudlosigkeit verstanden. Tatsächlich jedoch ist “Enthaltsamkeit” in diesem Zusammenhang als bewußte Zurückhaltung ein Ausdruck des Positiven: Denn jede der Enthaltungen stärkt gleichzeitig eine positive Haltung von Geist und Wille. So werden positive  Gefühle entwickelt und verstärkt. Wer beschlossen hat, den Buddhaweg zu gehen, für den sind die fünf Sittenregeln (pañca-síla) bindend:

1. Enthaltung vom Töten von Lebewesen,
2. Enthaltung vom Nehmen dessen, was nicht gegeben ist (Stehlen),
3. Enthaltung von unrechter Sexualität,
4. Enthaltung vom Lügen,
5. Enthaltung von berauschenden und die Sinne verwirrenden Substanzen, Speisen und
     Getränken.


Insbesondere an den Fastentagen (Uposatha), das sind die Voll- und Neumondtage sowie die ersten und letzten Mondvierteltage,  beachtet der ernsthaft praktizierende Laie noch drei weitere, also insgesamt acht Sittenregeln (atthanga-síla):

6. Enthaltung vom Essen nach dem Sonnenhöchststand (Zwölf Uhr mittags),
7. Enthaltung von Tanz, Musikvergnügen und Körperschmuck,
8. Enthaltung vom Gebrauch hoher, komfortabler Betten.


Novizen und Mönche beachten zehn Sittenregeln (dasa-síla). Dabei wird die obige siebte Regel in zwei aufgeteilt:

6. Enthaltung vom Essen nach dem Sonnenhöchststand (Zwölf Uhr mittags),
7. Enthaltung von Tanz, Gesang und Musik,
8. Enthaltung vom Gebrauch von Blumenschmuck, Düften und Kosmetika,
9. Enthaltung vom Gebrauch hoher, komfortabler Betten,
10. Enthaltung von der Annahme von Geld (“Gold und Silber”).


Als Gelöbnis lautet die Rezitation der fünf Sila:

1.
Pānātipātā veramani sikkhāpadam samādiyāmi
     Kein Lebewesen zu töten oder zu verletzen.
     Diese Übung auf mich zu nehmen, gelobe ich.
2.
Adinnādānā veramani sikkhāpadam samādiyāmi
     Nichts zu nehmen, was mir nicht gegeben ist.
     Diese Übung auf mich zu nehmen, gelobe ich.
3.
Kāmesu micchācāra veramani sikkhāpadam samādiyāmi
     Keine ausschweifenden sinnlichen Handlungen auszuüben.
     Diese Übung auf mich zu nehmen, gelobe ich.
4.
Musāvāda veramani sikkhāpadam samādiyāmi
     Mich darin zu üben, nicht zu lügen und wohlwollend zu sprechen.
     Diese Übung auf mich zu nehmen, gelobe ich.
5.
Surā meraya majja pamādatthānā veramani sikkhāpadam samādiyāmi
     Keine den Geist verwirrende und bewusstseinstrübende Substanzen zu konsumieren.
     Diese Übung auf mich zu nehmen, gelobe ich.

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sikkhā = Übung, Schulung
sikkhāpada = “Übungsregeln, Sittenregeln”


(*Die Bedeutung von „recht“ (Pali: samma) ist in diesem Zusammenhang nicht „richtig“ im Sinn des Gegenteils von „falsch“, sondern „vollständig“ bzw. „vollkommen“.


 

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